Damit die Energiewende gelingen kann, müssen alle zur Verfügung stehenden erneuerbaren Ressourcen bestmöglich ausgenutzt werden. Herkömmliche Windkraftanlagen sind eine bewährte und effiziente Technologie, um den Wind bis zu einer Höhe von 200 Metern zu ernten. Das Windpotential in darüber liegenden Luftschichten konnte mit existierenden Technologien bislang nicht genutzt werden. Dabei stellt es eine besonders energiereiche Ressource dar: In höheren Luftschichten wird der Wind nicht durch die Reibung mit der Erdoberfläche abgebremst, dadurch weht der Wind stärker und gleichmäßiger. Die Leistung des Windes, d.h. die darin enthaltene Energie, ist in hohem Maße abhängig von der Windgeschwindigkeit, da diese in dritter Potenz in die Berechnung der Leistung eingeht. Verdoppelt sich also die Windgeschwindigkeit in der Höhe, so wird die Leistung um 2³ (= 8 Mal) größer. Dieser Umstand macht den Höhenwind zu einer riesigen Energieressource, deren Potential bislang nicht ausgeschöpft werden konnte.
Seit ca. 15 Jahren arbeiten mehrere Unternehmen weltweit an der Entwicklung von sogenannten Airborne Wind Energy Systemen (AWES), im Deutschen Flugwindkraftanlagen genannt. Die dabei verfolgten Konzepte und Ansätze sind vielfältig. Sie bestehen jedoch alle aus einem fliegenden System, das mit einem Seil an einer Bodenstation befestigt ist. Das fliegende System erntet den Wind in mehreren Hundert Metern Höhe und treibt damit einen Generator an, der Strom erzeugt.
Die SkySails Power GmbH aus Hamburg ist bislang die weltweit einzige Firma, die eine Flugwindkraftanlage zur Marktreife gebracht hat. SkySails setzt auf große automatisierte Drachen („Kites“), um den Höhenwind zu ernten. Angetrieben vom Wind, steigt der Drachen in die Höhe. Seine Flugbahn gleicht dabei der Form einer Acht. Während er an Höhe gewinnt, wickelt er ein Seil von einer Winde am Boden ab. Die daraus entstehende Zugkraft treibt einen Generator in der Winde an, der Strom erzeugt. Sobald das Zugseil seine maximale Länge von 800 Metern erreicht hat, steuert der Autopilot den Drachen in eine Position mit minimalem Widerstand und Auftrieb. Nun arbeitet der Generator als Motor und rollt das Seil wieder ein. Dabei verbraucht er nur einen Bruchteil der vorab erzeugten Energie. Die Anlage wiederholt diesen Vorgang kontinuierlich und hält den Drachen dabei auf einer Höhe von 150 bis 400 Metern. Die von der Flugwindkraftanlage erzeugte Energie lässt sich ins Netz einspeisen, in Batterien speichern oder direkt verbrauchen.
Der Drachen kann zur Wartung oder bei vorhergesagten Schlechtwetterlagen landen. Am Start- und Landemast angedockt lässt er sich absenken, abmontieren und an einem sicheren Ort verstauen.
Flugwindkraftanlagen ermöglichen die Nutzung der Ressource Höhenwind. Dabei bringen sie weitere wesentliche Vorteile mit sich:
Überall auf der Welt nimmt der Energiebedarf für Kommunikation und Beleuchtung, Heizung und Kühlung zu. Aber viele Orte sind weit von der öffentlichen Infrastruktur entfernt und nicht an das Versorgungsnetz angeschlossen. In diesen Fällen erfolgt die Energieerzeugung und -verteilung häufig dezentral in Mini-Netzen, die von Dieselgeneratoren betrieben werden. Die erforderliche dezentrale Infrastruktur mit Dieselgeneratoren, Pufferspeicher und Steuerungstechnik ist teuer in der in der Anschaffung und im Betrieb, was zu hohen Stromgestehungskosten führt. Die Logistik zur Gewährleistung einer sicheren Brennstoffversorgung ist komplex und daher kostenintensiv, der Betrieb der Anlagen ist nicht nachhaltig und umweltschädlich.
Flugwindkraftanlagen stellen eine wettbewerbsfähige Alternative zur Stromversorgung über Dieselgeneratoren dar. In Mini-Netzen, kombiniert mit weiteren erneuerbaren Technologien wie Photovoltaik, können sie die Basis einer verlässlichen und umweltfreundlichen Stromversorgung darstellen.
Ende 2021 erfolgte beispielsweise die Installation einer SkySails Power Anlage auf der Insel Mauritius. Der Inselstaat im Indischen Ozean hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 40% seines Strombedarfs über erneuerbare Energien abzudecken. Die Höhenwindtechnologie soll hierbei eine entscheidende Rolle übernehmen.