WENN GÜLLE ZU BIOGAS WIRD…

WENN GÜLLE ZU BIOGAS WIRD…

Diese wird von den dortigen Kleinbauern bislang unter hohem Methangasausstoß in offenen Gruben gelagert und danach zum Düngen der Felder genutzt. Aber in den tierischen Fäkalien steckt ein riesiges ungenutztes Potential für eine saubere und nachhaltige Energieversorgung: Biogas.

Rund 480 Millionen Schweine leben in China. Sie werden gezüchtet, damit der Mensch sie essen kann – und sie produzieren dabei jede Menge Gülle. Für die Region Sichuan, in der sich einige der ärmsten ländlichen Bezirke Chinas befinden, entwickelte das Münchner Unternehmen UPM GmbH zusammen mit seinem lokalen Kooperationspartner Chengdu Oasis eines der weltweit erfolgreichsten Programme zur häuslichen Biogasversorgung, das „Sichuan Rural Poor-Household Biogas Development Programme“.

Ziel: 20 Millionen Tonnen weniger CO2

Bei diesem preisgekrönten Klimaschutzprogramm handelt es sich um ein sogenanntes Programme of Activities (PoA), das im Rahmen des Clean Development Mechanismus (CDM) und des Gold Standard entwickelt wurde und zahlreiche kleinere Haushaltsbiogasprojekte unter einem Dach bündelt.

Es zielt darauf ab, bis zu eine Million arme Kleinbauernhaushalte in Sichuan mit fortschrittlichen Biogasfermentern und praktischen Biogaskochstellen auszustatten. Anstelle der weit verbreiteten offenen Güllegruben behandeln diese bewährten und zuverlässigen Biogasanlagen die anfallenden Exkremente anaerob in geschlossenen Tanks und stellen den Landwirten das dabei entstehende Methan als sauberes Biogas für den täglichen Gebrauch zur Verfügung. Die übliche Verbrennung von Kohle und Feuerholz zum Kochen wird damit überflüssig.

Auf diese Weise soll das Programm über seine gesamte Laufzeit von 28 Jahren bis zu 20 Millionen Tonnen CO2e reduzieren. Das entspricht immerhin etwa der Hälfte der jährlichen Treibhausgasemissionen der Schweiz! Für jede Tonne erzielter Treibhausgaseinsparung erhält die UPM als Projektbetreiber ein Klimaschutzzertifikat, das weltweit an Kunden mit freiwilligen oder verpflichtenden Emissionsminderungszielen verkauft werden kann, um das Programm zu refinanzieren.

Neue Wege bei der finanziellen Unterstützung bedürftiger Kleinbauern

Das Haushaltsbiogasprogramm der UPM baut auf einem bestehenden nationalen Fördersystem der chinesischen Regierung zur Einführung und Verbreitung von Biogastechnologie im ländlichen China auf, welches in Sichuan flächendeckend vom Sichuan Rural Energy Office (SREO) und dessen lokalen Zweigstellen umgesetzt wird. Weil die staatliche Förderung bislang aber lediglich Familien mit mittleren und höheren Einkommen zur Anschaffung von Biogasanlagen bewegen konnte, wendet sich das PoA der UPM ausschließlich an einkommensschwache Farmerhaushalte mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von unter 3.000 CNY oder derzeit etwa 440 Euro.

Neben den staatlichen Beihilfen erhalten diese bedürftigen Haushalte nun Jahr für Jahr zusätzlich 36 Prozent aller Einnahmen aus Verkäufen der Klimaschutzzertifikate des UPM-Programms, damit sie sich Kauf, Aufbau und Betrieb der Biogasanlagen leisten können. Darüber hinaus zahlt die UPM weitere 6 Prozent der Umsätze aus Zertifikatverkäufen an das SREO, um einmal pro Jahr eine kostenlose Wartung der Anlagen durch zertifizierte Biogas-Techniker bereitstellen zu können. Damit werden Betriebsunterbrechungen weitgehend vermieden und das Risiko gefährlicher Unfälle wird deutlich gesenkt.

Aus Sicht der Farmer reduziert die Kombination aus staatlichen Fördergeldern und der innovativen Umsatzbeteiligung des PoA die durchschnittlichen Anschaffungskosten einer gängigen Biogasanlage aus heimischer Produktion in Höhe von ca. 6.000 CNY oder momentan 880 Euro um mehr als 40 Prozent, so dass sich die Investitionen für die Haushalte innerhalb weniger Jahre amortisiert haben.

Derzeit bereits knapp 400.000 teilnehmende Farmerhaushalte aus Sichuan

Der Programmansatz der UPM wird sowohl von den zuständigen Behörden als auch von den Landwirten in Sichuan angenommen. Dank der Unterstützung durch den lokalen Partner Chengdu Oasis und der bestehenden Infrastruktur des SREO liegt die Umsetzung des Haushaltsbiogas-PoA der UPM voll im Fahrplan. Vom Projektstart Ende 2010 bis Anfang Juli 2015 nahmen in Sichuan bereits fast 400.000 ländliche Haushalte die Kleinbiogasanlagen des PoA in Betrieb. Bei einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 4,4 Personen bedeutet dies, dass heute schon nahezu 1,8 Millionen Menschen von den zahlreichen Vorteilen des Programms profitieren, etwa die Hälfte davon ist weiblich. Der aktuelle Ausbaufahrplan für das PoA sieht vor, dass dem Programm jedes Jahr etwa 46.000 Haushalte neu hinzugefügt werden.

Auch die bislang erreichte Treibhausgasminderung des Programms kann sich sehen lassen. Bis heute hat das PoA die Atmosphäre um mehr als 1,5 Millionen tCO2e entlastet. Allein im Jahr 2015 wird das Programm nahezu 900.000 tCO2e einsparen.

Großer Nachhaltigkeitsbeitrag und immenser Zusatznutzen des Programms

Neben seinem Klimaschutzeffekt trägt das Haushaltbiogas-PoA der UPM auf vielfältige Weise zur nachhaltigen Entwicklung Sichuans bei und hat damit einen weiteren Zusatznutzen für die geförderten Farmerfamilien:

  • Das PoA fördert die Einführung und Verbreitung klimafreundlicher Biogas-Technologie im ländlichen Sichuan und hilft dort somit dabei, fossile Energieträger zu ersetzen.
  • Die stabile, bequeme und preiswerte Selbstversorgung mit erneuerbarem Biogas beendet die Abhängigkeit der Farmer von teuren fossilen Brennstoffen. Auf diese Weise können z. B. Beschaffungsausgaben für Kohle eingespart werden, so dass sich die finanzielle Lage der armen Bauernfamilien deutlich entspannt.
  • Aufgrund des PoAs haben die Farmer bis heute über 460.000 t Kohle weniger verbrannt. Darüber hinaus gibt es einen stark verringerten Bedarf an Feuerholz. Das führt zu niedrigeren Abholzungsraten in Sichuan und bewahrt folglich nicht nur die wertvollen Naturlandschaften und biologische Vielfalt, sondern auch dringend benötigte Kohlenstoffsenken.
  • Das Programm tauscht ineffiziente und veraltete Kohle- und Holzöfen durch moderne Biogas-Kochstellen aus, die bedarfsgerecht saubere Energie ohne jegliche Rauchentwicklung liefern. In Folge dessen wird die häusliche Luftverschmutzung mit Kohlenmonoxid (CO), Schwefeldioxid (SO2), Feinstaub (PM10) und Ammoniak (NH3) vermieden, so dass die typischen Atemwegserkrankungen und Augenentzündungen wirksam bekämpft werden. Gerade für die Frauen und Kinder ländlicher Haushalte, die einen Großteil ihrer Zeit zu Hause sind, stellen diese Krankheiten noch immer ein ernstes Gesundheitsproblem dar.
  • Die fachgerechte Lagerung und Aufbereitung sowohl tierischer Fäkalien als auch organischer häuslicher Abfälle in geschlossenen Fermentertanks anstelle von offenen Güllegruben verhindert üble Gerüche, ansteckende Krankheiten, Wasserverschmutzung und die Degradierung landwirtschaftlich nutzbarer Böden
  • Die innovativen Biogasfermenter ermöglichen es den Bauern, neue Formen einer Recycling-Landwirtschaft einzuführen. Diese kombiniert den Anbau von Futterpflanzen mit Viehhaltung, um so das Substrat für die Biogasanlagen zu gewinnen. Zugleich kann in den geschlossenen Tanks anaerob ein wesentlich besserer organischer Dünger produziert werden als in den offenen Fäkaliengruben. Dieser erhöht die landwirtschaftlichen Erträge und verbessert die Qualität der Agrarprodukte.
  • Die leistungsfähigen Biogasfermenter und die leicht zu bedienenden neuen Kochstellen erbringen besonders für die Frauen der ländlichen Haushalte eine spürbare Zeitersparnis, da diese sich nicht mehr um das Sammeln von Brennholz, den Kauf von Kohle und das langwierige Anzünden herkömmlicher Feuerstellen kümmern müssen.
  • Das PoA erhöht auch das verfügbare Einkommen der teilnehmenden Haushalte im ländlichen Sichuan beträchtlich. Unabhängige Landwirtschaftsexperten beziffern den finanziellen Nutzen der neuen Biogasanlagen durch Zeit- und Kosteneinsparungen bei der Energieversorgung, höheren Agrarerträgen und vermiedenen krankheitsbedingten Ausfällen auf bis zu 50 Prozent des jährlichen Durchschnittseinkommens eines typischen Farmers in Sichuan bzw. 25 Prozent pro Haushalt.
  • Schließlich schafft das PoA in Sichuan sowohl temporäre als auch dauerhafte Arbeitsplätze für die Produktion, Begutachtung, Installation und Wartung von bis zu einer Million Biogasanlagen von chinesischen Herstellern. Laut SREO-Angaben konnten dem PoA bis heute zwischen 7.500 und 10.500 neue Arbeitsplätze direkt zugerechnet werden.

Vorreiter für programmatischen Klimaschutz

Das Sichuan-Haushaltsbiogas-PoA von UPM leistet Pionierarbeit für programmatische Mechanismen der internationalen Klimaschutzpolitik, die auch auf dem Pariser COP21 Climate Summit Ende Dezember 2015 auf der Agenda stehen werden. Es demonstriert, wie große Mengen an Treibhausgasemissionen kostengünstig vermieden werden können, während gleichzeitig eine nachhaltige Entwicklung in den Zielgebieten gefördert und die Lebensqualität benachteiligter ländlicher Haushalte verbessert wird.

Unternehmen:
UPM Umwelt-Projekt-Management GmbH
Projekt:
Haushalts-Biogasprogramm für die Region Sichuan (China)
Hauptverantwortlich:
Martin Dilger